Sonntag, 5. Februar 2012

Nachtmaler



Es war ein warmer Abend. Die schwüle Sommerluft verlor sich in den Straßen und die Sonne lag bereits auf dem Horizont.
Er ging eine kleine Gasse entlang. Sie war wie aus Filmen, eng und lang. Zu beiden Seiten standen Häuser und die meisten Fensterläden waren schon geschlossen. Er war noch nie zuvor hier gewesen, aber er fühlte sich geborgen. Trotz der Einsamkeit, die ihn umgab, schaute er sich immer öfter um. Gelegentlich kam er an einer Abzweigung vorbei. Er schaute in die Gasse, entschied sich aber meistens, geradeaus weiter zu gehen.
Die Straßen waren mit Kopfsteinpflaster gelegt. Er schaute zu seinen Füßen, um nicht an einem Stein hängen zu bleiben. Mit den Schritten, die er tat, wurde es um ihn immer dunkler, bis er nur noch schwach die Konturen der Steine ausmachen konnte.
Wie auf einen geräuschlosen Befehl blieb er starr stehen und schloss seine Augen. Er drehte den Kopf ein wenig nach rechts und lauschte. Er hörte ein gleichmäßiges Klappern, das immer lauter wurde. Es waren Schritte, die auf ihn zu kamen. Er öffnete die Augen und stellte sich an eine Hauswand. Nicht gedrückt, aber flach, als würde er sich ausruhen.
Er drehte seinen Kopf wieder nach rechts und schaute die Gasse hinunter. Eine junge Frau kam aus einer Ecke hervor und gerade, als sie den Fuß in sein Sichtfeld stellte, leuchteten die Straßenlampen auf. Sie hingen an den Hauswänden, vielleicht alle fünfzig Meter eine. Sie waren nicht sehr hell, eher ein dunkles Gelb strahlten sie aus.
Die Frau ging ohne sich umzuschauen die Gasse entlang. Langsam drückte er sich von der Wand ab und folgte ihr. Er beschleunigte seinen Schritt, achtete aber darauf, keinen Lärm zu machen.
Die Frau schaute in jeden Hauseingang. Manchmal blieb sie stehen, um die Hausnummer oder einen Namen zu lesen. Es schien, als sei sie fremd und kenne sich nicht aus.
Die Gasse machte einen Knick nach rechts und endete dann, kaum erkennbar, nach guten einhundert Metern mit einer flachen Wand. Eine einzige Lampe hing auf der gesamten Länge.
Die Frau wurde nervös und  begann ihre Finger zu drehen, als spiele sie mit einer kleinen Kugel oder einem Knopf.
Er war dicht hinter ihr. Vielleicht waren es fünf Meter, nicht mehr als zehn, die er von ihr ab stand. Sie schien ihn gehört zu haben, denn mit einem Mal blieb sie wie erstarrt stehen. Dann zitterte sie am ganzen Körper und wagte es nicht sich umzudrehen. Er ging immer näher auf sie zu. Nun langsamer, vorsichtiger. Einige Schritte von ihr entfernt, blieb er hinter ihr stehen.
„Wer ist da?“, flüsterte sie ängstlich. Er gab ihr keine Antwort und zog stattdessen ein Seil aus seiner Tasche.
„Wer ist da?“, schrie sie nun und eine Träne drückte sich aus ihrem Auge. Sie war im Begriff sich umzudrehen, als er zwei große Schritte auf sie zu machte und ihr mit der Kante seiner rechten Hand in den Nacken schlug. Erst taumelte sie, dann fiel sie zurück. Er fing sie auf und legte sie vorsichtig mit dem Rücken auf das Kopfsteinpflaster. Er hob ein wenig ihren Kopf und führte das Seil unter ihrem Hals hindurch, um es dann über Kreuz zu halten und kräftig an beiden Enden zu ziehen.
Nach einer Weile, als er sich sicher war, dass kein Mucks sich mehr in ihr regte und in den Gassen die Nachtruhe eingekehrt war, ließ er das Seil locker und nahm die Frau auf den Arm. Er trug sie bis zu der Wand, wo die Straße endete und setzte sie an die Mauer gelehnt hin. Vorsichtig zog er ihr Top hoch, führte ihre Arme behutsam durch die Löcher, zog es über ihren Kopf und legte es neben sich. Er öffnete ihren BH und ließ auch den neben sich fallen. Dann legte er die Frau sanft auf die kühlen Steine und streifte ihr die Schuhe von den Füßen. Er öffnete den Knopf und den Reißverschluss ihrer Hose und zog sie mitsamt ihrem Slip die Beine entlang. Er strich ihre Haare glatt, riss ihr eine Strähne aus und steckte sie in eine kleine Tüte. Die Haare würde er später noch brauchen, um sich einen neuen Pinsel zu machen, wenn er mit seiner Arbeit fertig war.
Aus seiner Tasche zog er einige Farbtuben und einen Pinsel. Er öffnete eine der Tuben und ließ einen kleinen Klecks Farbe auf ihr Gesicht fallen. Dann begann er, sie von Kopf bis Fuß zu bemalen. Er strich ihre Haare beiseite, hob ihre Arme und schob ihre Beine auseinander. An ihrem ganzen Körper war keine Stelle ihrer Haut mehr zu erkennen. Farbe überdeckte ihre Brustwarzen und den kleinen Leberfleck am rechten Beinansatz. Es waren keine erkennbaren Gestalten, eher wage Formen- und Farbspiele.
Nach einer guten Stunde war sein Kunstwerk geschaffen. Er griff unter ihre Arme und zog sie hoch. Dann lehnte er sie wieder gegen die Mauer und packte ihre Sachen und seine Malutensilien in seine Tasche.
Am nächsten Morgen würde man es finden. Sein Kunstwerk würde in der Zeitung durch die ganze Stadt gehen und noch darüber hinaus. Sie würden sich alle die Mäuler über ihn zerreißen. Und sein Name würde um die Welt gehen.
Nachtmaler nannten sie ihn. Ein Name, so einzigartig wie seine Kunst.

3 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  2. Arw, tausend,tausend Dank für deinen Kommentar *.*.

    Aber von deinem Text bin ich auch mal echt geflasht. Er spielt schonmal NICHT im Winter. Die absolute Ausnahme! :D. Ansonsten mag ich, dass man sofort ein Bild vor Augen hat. Lediglich diese eine Stelle "Nach einer guten Stunde war sein Kunstwerk geschaffen." mag ich nicht so sehr. Ich weiß nicht, was es ist, aber es stört irgendwie ein bisschen.
    Der letzte Satz ist wieder wunderschön <3

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  3. hi :)
    du schreibst so unglaublich toll. ich kann mich so einfühlen in die welt, die du erschaffst. schon lange habe ich nichts mehr gelesen, das sich so in meinen kopf einschleicht. und die bilder gehen nicht weg.. man fängt an, nachzudenken. das mach ich echt. *-*
    xoxo

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