Samstag, 3. Dezember 2011

Fünf vor Zwölf



Der Zug hielt und ich verabschiedete meine Freundin Sara. Sie stieg aus und als sie auf dem beleuchteten Bahnsteig stand, winkte sie mir zum Abschied noch einmal zu. Dann ging sie den Bahnsteig entlang und weg war sie.
Wir hatten einen tollen Nachmittag in Stadt verbracht. Erst waren wir einen Kaffee trinken, danach durch die Geschäfte im Einkaufszentrum bummeln. Es war dunkel geworden und wir hetzten zum Bahnsteig. Der Zug fuhr uns vor der Nase weg und wir mussten auf den nächsten warten. Ich wäre beinahe erfroren doch Sara besorgte uns einen heißen Kakao. Erst verbrannte ich mir die Zunge, dann bekleckerte ich meine neue Jacke. Aber wir hatten eine Menge Spaß, das ist ja das Wichtigste.
Nun saß ich hier. Der Zug war leer. Na zumindest das Abteil. Durch die Zuglautsprecher gongte es „Nächste Haltestelle Brünau. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“. Ich schloss den Reisverschluss meiner Jacke und setzte meine Mütze auf. Ich streifte die neuen Handschuhe über und nahm meine Einkaufstüten in die Hand, die Handtasche über die Schulter.
Der Zug bremste ab und ich begab mich zur Tür. Ich hielt mich an einer Eisenstange fest um nicht umzufallen. Mit dem rechten Fuß stemmte ich mich nach hinten ein wenig ab. Der Zug kam zum stehen, ich drückte auf den Knopf und als er grün erleuchtete öffnete sich die Tür. Sofort flog mir die weiße Flockenpracht ins Gesicht und ich drehte meinen Kopf ein wenig nach links. Weiter hinten am Bahnsteig stieg ein Mann aus. Auf dem ganzen Bahnsteig gab es nur eine Lampe, die ihren Dienst aber auch schon hinter sich hatte.
Ich stapfte durch den Schnee den Steig entlang. Ich wohnte in dem Dorf, aber am anderen Ende.
Die Fußwege waren vielleicht vor ein paar Stunden geschoben worden, mittlerweile aber schon wieder zugeschneit. Etwa alle fünfzig Meter stand eine Straßenlampe, wovon allerdings nur jede zweite brannte. Es war also stockdunkel.
Die Häuser streckten sich immer weiter auseinander und die Bäume standen dafür umso dichter. Schon nur bei dem Gedanken, dass etwas hinter den Bäumen sein könnte, raste mein Herz wie verrückt. Ich wurde ein wenig schneller, nur zur Sicherheit.
Es war nicht mehr weit, vielleicht noch vier leuchtende Lampen. Ich hörte es rascheln, dann knacken. Ich legte noch einen Gang zu. Ich meinte, es hinter mir knirschen zu hören, jemand würde mich verfolgen und hinter jedem Baum sah ich gespenstische Gestalten. Da war ich mir sicher! Mein Puls überstieg den gesunden Wert und ich malte mir schon meinen Tod aus. Vielleicht würde er mich abstechen, vielleicht vorher vergewaltigen. Nur wenn, dann sollte er mich schnell sterben lassen, dass ich mir darüber keine Gedanken mehr machen musste. Es durchzuckte meinen ganzen Körper, was wenn er mich hier im Schnee irgendwo anbinden und langsam verbluten lassen würde? Nein! Weg mit diesen Gedanken! Aber daran denken musste man schon, dass was man heutzutage alles hörte. Spinner und Psychopathen gab es ja genug auf der Welt.
Der Flockenfall wurde stärker und der Wind peitschte sie mir ins Gesicht. Irgendwo brach ein Ast und ich begann zu rennen. „Immer schneller, nur aufpassen, dass du nicht hinfällst und er dich nicht erwischt!“, dachte ich mir. Im rennen zog ich schon meinen Haustürschlüssel aus der Tasche. Nur noch eine Straßenlampe, doch die Schritte kamen immer näher. Ich rannte die Einfahrt hoch und bemühte mich, mich nicht umzusehen. Dann versuchte ich so schnell wie möglich den Schlüssel in das Schloss zu bekommen, doch es ging nicht, vielleicht zugefroren. Mein Herz schlug gefühlte 300 Mal in der Sekunde und ich musste tief ein und ausatmen, damit mir nicht schwindlig wurde. „Jetzt kriegt er mich. Na dann tschüss schönes Leben!“
Unwillkürlich drehte sich mein Blick dann zur Hofeinfahrt. Doch da war niemand. Hatte ich mir das alles nur eingebildet? Nicht einmal eine Katze lief über die Straßen, wirklich niemand zu sehen.
Auf Schlag hatte ich mich beruhigt und der Schlüssel glitt einwandfrei in das Schloss. Ich drehte ihn herum und betrat den Flur.  

2 Kommentare:

  1. Blogaward^^ :D http://federflug.blogspot.com/2011/12/danke-blogaward.html

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  2. Ich mag die Geschichte. Irgendwie hat man sofort ein Bild vor Augen, wenn man liest.
    Nur an dieser Stelle "[ ...] verabschiedete meine Freundin Sara. Sie stieg aus und als sie auf dem beleuchteten Bahnsteig stand, winkte sie mir zum Abschied" hätte ich das Abschied gestrichen.

    Diese Stelle liebe ich "Sofort flog mir die weiße Flockenpracht ins Gesicht und ich drehte meinen Kopf ein wenig nach links" *.*
    Sehr toll geschrieben (:

    Liebstes
    saku

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