Mittwoch, 14. Dezember 2011

Ein Stück "Mein Leben"



Es ist kalt. Nein warte, es ist arschkalt! Meine Nase läuft Marathon und wenn ich Glück habe, tauen meine Finger wieder auf. Der Schnee rieselt langsam und geschmeidig durch die Luft. Ich trampele eine wenig herum, in der Hoffnung, dass meine Füße nicht schon blau angelaufen sind.
Es ist schrecklich. Im Winter, wenn Schnee liegt, kommt der Bus nie. Und wenn er dann kommt, dann zu spät. Man könnte meinen, dass ich mich daran gewöhnt hätte, aber nichts ist. Jeder Winter kommt mir schlimmer vor und jeden Winter denke ich mir, noch schlimmer kann es nicht werden. Aber nichts ist, es wird schlimmer.
Auf dem Thermometer stand heute Morgen „-8°C“. Bei solchen Temperaturen sollte man Kinder nicht mehr auf die Straße stellen und sie dort eine halbe Stunde frieren lassen, bis sie wieder nach Hause gehen können, weil der Bus ja doch nicht kommt. Aber nichts ist, ich muss frieren, bis der Bus endlich da ist.
Außer mir fährt normalerweise noch ein Junge von dieser Haltestelle ab. Aber der ist seit zweieinhalb Wochen verschwunden. Na bestimmt nicht verschwunden, eher krank. John heißt er und gelegentlich unterhalte ich mich mit ihm. Nichts dramatisches, manchmal kommt es mir so unnatürlich und … aufgezwungen vor. Aber er lächelt mich stets an und ist nett. Ja, ich mag ihn. Ich mache mir, ganz ehrlich, auch ein wenig Sorgen um ihn. Aber ich habe jeden Tag, wenn ich zum Bus stapfe, die Hoffnung, dass er da steht, mit seinem Lächeln, und auf mich wartet. Aber nichts ist, John nicht da, ich allein, Sorgen machen sich breit, Hoffnung zerstört.
Während ich mir so Gedanken mache, über John, mich, ihn, uns..., fährt der Bus um die Ecke und eines der Lichter blendet mich. Der Schnotter dringt zum Nasenausgang vor und ich ziehe einmal kräftig hoch. Dann schüttelt´s mich und der Bus hält vor mir. Ich schaue an mir runter, trampele erneut mit den Füßen und sehe mir meine Fahrkarte an. Das mache ich immer, bevor ich in den Bus einsteige. Ich weiß nicht warum, aber es ist zur Gewohnheit geworden. Vielleicht will ich mich vergewissern, dass ich sie richtig herum halte oder einfach nur, dass sie noch da ist.
Die Bustür öffnet sich und ich steige ein. Ich setze mein schönstes Lächeln auf und wünsche dem Busfahrer einen schönen guten Morgen. Eine weitere Angewohnheit. Es ist beinahe wie eine routinierte Abfolge, die meinen Tag bestimmt.
Oft kommt von den Busfahrern nur ein murriges „Morgen“ zurück, aber ich mache es trotzdem. Ich finde es ist wichtig, ich würde doch auch gerne einen tollen Morgen haben.
Ich gehe den Gang entlang und lasse meinen Blick auf einen freien Sitzplatz neben einem Mädchen haften. Der Bus ist morgens so voll, dass ich einen der letzten Sitzplätze ergattern kann. Leider nur neben den nervenden Kleinkindern, aber lieber sitzen als stehen.
Und kaum sitze ich, werde ich Opfer von Geschrei und Gestupse. Die Kinder könnten ja einfach mal von Grund auf ein bisschen leiser werden. Aber nichts ist, sie schreien sich an und auf ihren Handys haben sie alle, bei voller Lautstärke versteht sich, irgendwelche Musik zu laufen. Früher habe ich versucht, herauszufinden, welche Lieder das denn wären, aber wenn da vier verschiedene Titel mit einem Mal spielen, ist das einfach unmöglich.
Aber schreien sie sich nicht nur an, nichts ist. Nein, sie werfen Federtaschen, Brotdosen, Papierkugeln, beinahe alles, was nicht Niet- und Nagelfest ist, umher. Zu Beginn meiner Busfahrzeit habe ich mich darüber aufgeregt und sie angemotzt, dass sie sich benehmen sollen, schließlich wurde ich natürlich nicht verschont. Aber nichts ist, das Ganze ist nur noch schlimmer geworden.
Aber dann ist da nicht nur ihr verhalten, nein auch das Äußere. Natürlich soll man Menschen danach nicht beurteilen, aber was soll ich denn machen? Sie haben die reinsten Gettoklamotten an, wenn ich das so bezeichnen kann, sie stinken und ihre Haare sind nicht gewaschen. Wer will mit solchen Leuten etwas zu tun haben? Es ist einfach widerlich, wenn sie sich ihre Haare in irgendwelche, Augenkrebs hervorrufende, Farben färben und das Haar dann fettig und ungewaschen umherbaumelt. Bei solchen Sachen könnte sich mein Magen umdrehen.
Und nicht zu vergessen wäre noch ihre Sprache. Nein, ich erwarte kein Hochperfektes Deutsch, aber muss man denn in jedem Satz ein „LOL“ oder „Pääääng“ haben? Muss jeder zweite Satz mit „Alter“ anfangen oder enden? Aber nichts ist, das ist ja cool.
Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich solchen Leuten niemals hingeben. Nicht einmal die Hand geben. Nein, nein, nein.
Aber ich habe irgendwann begonnen, das Ganze zu ignorieren. Vielleicht nicht unbedingt zu ignorieren, aber es hinzunehmen. Ich kann ja doch nichts machen.
Entnervt drücke ich den „Stop“-Knopf und stelle mich hin. Ich gehe zum Ausgang und als der Bus hält verlasse ich ihn und betrete die eiserne Kälte. Der Schnee rieselt immer noch und ich setze ein Lächeln auf.
Und nun mag man meinen, ich würde Busfahrten hassen. Aber nichts ist, ich liebe sie. Sie sind ein Stück von meinem Leben, genauso wie das tägliche Fahrkarte anschauen und morgendliche Grüßen des Busfahrers. Es gehört einfach dazu.

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