Samstag, 1. Dezember 2012

frei sein




Sieh sie dir an, wie sie da stehen. Den Rücken an die Wand gelehnt und einen Fuß gegen die nackte Mauer gestemmt. Ihr starrer Blick trifft sich auf der untergehenden Sonne, im Augenwinkel die vorbeifahrenden Autos. Ihre Jacken offen und die Haare gefärbt. Vom Wind zerzaust. Mit einer Hand halten sie ihre Zigarette. Sie fühlen sich wild. Wie Rebellen. Was sie schon alles durchgemacht haben, denken sie sich.
Er nimmt seine Zigarette zum Mund und umschließt sie mit seinen Lippen. Zieht den Rauch in seine Lunge. Sie wendet den Blick nicht von der Sonne ab, sieht ihn aber ganz klar vor sich. Wie er sie ansieht, seine Hand nimmt und die Haare aus ihrem Gesicht streicht und sie küsst. So klar wie noch nie. Dann öffnet sie ihren Mund und verstummt.
»Wie häufig schlägt dein Herz?« fragt er und pustet Ringe in die Luft. Sie sieht ihn an und beobachtet den aufsteigenden Rauch aus seinem Körper. Wie er sich langsam auflöst. In der Luft tanzt, verschwindet und nie mehr wiederkommen wird. Dann zieht sie an ihrer Zigarette und schaut wieder in die untergehende Sonne. Pustet dann den Rauch in einer Wolke aus und lächelt. Er schaut sie ungläubig an, küsst sie am Hals, nur flüchtig, und schaut zu den vorbeifahrenden Autos. »Wann werden wir fahren?« fragt er und schließt die Augen. Nimmt einen Zug von seiner Zigarette und drückt ihre Hand, bewundert sie. Wie sie da steht und lächelt und sich in die Sonne verliebt. Wie sie ihre Zigarette zum Mund führt, eine Wolke aus Rauch auspustet und dabei ungeniert grinst. Wie sie lacht und sich dabei bewegt, überhaupt sich bewegt und liebt. Wie sie ihn immer ganz unverhofft küsst und ihn ansieht und wie sie tanzt. Wie ihre Finger Bilder in die Luft malen und wie bezaubernd sie dabei aussieht. Wie sie zärtlich »Ich liebe dich« sagt.
»Ich möchte schwimmen.« flüstert sie und lehnt ihren Kopf an seine Schulter.
»Schau dir die Sonne an.« wispert er.
»Sie ist in Wirklichkeit schon gar nicht mehr da.«
»Aber wir leben nicht in der Wirklichkeit.«
»Nein. Manchmal leben wir in unserer Welt.« und eine Träne rollt über ihre Wange.
Er nimmt einen letzten Zug von seiner Zigarette und lässt sie auf die Steine fallen, nimmt den Fuß von der Wand, tritt den Zigarettenstummel aus und schaut ein letztes Mal zur untergehenden Sonne. »Eigentlich ist sie gar nicht mehr da.« denkt er. Schaut das Mädchen an, sein Mädchen.
Auch sie nimmt ihren letzten Zug, lässt die Zigarette fallen und wischt ihre Träne weg. Dann nimmt er sie in den Arm und küsst sie. Hält sie ganz fest in seinen Armen, sein Mädchen. Hält sie, während sie lautlos weint und er weiß, dass es gut so ist. Und dass er sie liebt.
Und nun? Siehst du, wie sie da stehen? Sie sind wie Rebellen, aber eigentlich wollen sie nur ein bisschen frei sein.

2 Kommentare:

  1. Wow...! Das ist hamma! Wirklich voll schöööön!
    Silber-blatt-schwur.blogspot.de
    xoxo

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  2. ...ich glaube du schreibst es besser als ich es je gefühlt habe! :)

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