Gänsehaut. Schatten auf der Wand. Tanzen über die Tapete. Schweben durch
den leeren Raum, von links nach rechts. Von oben nach unten. In ständiger Bewegung,
aber ganz sacht. Kaum zu bemerken. Nur wage Gestalten. Eher Schemen. Konturen
sind kaum erkennbar.
Die Wand erscheint im sanften Mondschein der Nacht nur grau und lediglich
die Schatten sind noch dunkler. Kein ebenes und mattes schwarz. Ein unendlich
tiefes grau.
Auf deinem Gesicht hängen Schatten und ich kann in ihm sehen, dass die
Anspannung gewichen ist. Dass sich Ruhe ausgebreitet hat. In dir. Diesem
Zimmer. Im ganzen Haus.
Dein Brustkorb hebt und senkt sich bedächtig. Gleichmäßig. Wohltuend.
Deine Atemzüge geben den Takt der Zeit. Und sie verstreicht langsam. Und leise.
Man kann den Wind hören, wenn man sich konzentriert. Wie er sanft um die
Mauern streift und durch die Baumkronen klettert. Wie er die Blätter im
leichten Reigen tanzen lässt und die kühle Herbstluft durch den dünnen Spalt
des offenen Fensters um uns legt. Dass sich die dünnen Härchen auf den Armen
aufstellen. Und es ist eisig kalt.
Ich lasse mich in dich hineinfallen. Folge deinem Atem bis sie synchron
sind und man unser beider nicht mehr unterscheiden kann. Versinke in deinem
Schoß und will in dem Moment verharren. Die Nacht nicht hergeben. Die Stille.
Dich.
Über die Baumkronen hinweg zeichnet der Himmel sein vollkommenstes
Schwarz. Spannt es wie ein Tuch. Ein Segel mit kleinen weißen Punkten. Mit
vielen runden Tupfen. Die Sommersprossen der Nacht.
Und ich hebe ganz leicht meine Hand und strecke einen Finger aus. Tippe
jeden Tupfen an und zähle sie. Jeden einzelnen Fleck. Und keinen zweimal. Wie
Papa es für mich getan hat. Als ich noch ganz klein war. Und ich habe ihm
geglaubt, dass er es kann. Habe darauf vertraut, dass der Himmel es gut mit uns
meint.
Du nimmst meine Hand, senkst sie langsam und drückst sie. Nicht mit
Kraft. Sorgsam. Streichst sanft über meine Haare. Küsst mich zärtlich auf die
Stirn und flüsterst liebevoll »Du kannst sie nicht alle zählen.«
Ich schließe meine Augen und gebe mich der Nacht hin. Versuche den
Gedanken zu entfliehen. Und mir ist gar nicht mehr kalt, während du mich fest
in deinen Armen hältst und ich weiß, dass der Himmel auf uns aufpasst.