Du siehst alt aus. Nicht viel älter als sonst, aber nicht mehr so jung
wie damals. Vielleicht machen es die kürzeren Haare. Anfangs fand ich sie nicht
so schön. Man gewöhnt sich an das, was man kennt. Ich mag keine Veränderungen.
Aber wie ich dich ansehe, bist du wunderschön. Natürlich bist du das.
Du hast dich verändert. Du bist größer geworden, dein Blick dunkel. Dabei
ist es doch noch gar nicht so lange her, als wir uns das letzte Mal gesehen
haben. Oder doch nicht?
Ich kann mich noch daran erinnern, dass es warm war. Die Sonne schien und
wir waren am See. Wir liefen einfach so nebeneinander her. Wir zogen unsere
Schuhe aus und ließen die Füße ins Wasser. Du hast mich nass gespritzt, aber
das hat mir nichts ausgemacht. Ich habe darüber gelacht und du fielst mit ein.
Wir haben die Enten auf dem Wasser beobachtet und die Steine auf dem Grund
gezählt. Du hast mir Geschichten erzählt. Einmal hast du mich gefragt »Warum
haben Elefanten so lange Rüssel?« Ich wusste nichts zu antworten, lag still da
und schaute dich erwartungsvoll an. Nach einer Weile sagtest du »Damit sie die
Giraffen küssen können.« Ich musste schmunzeln. Manchmal muss ich mich noch
daran erinnern.
Wir
haben nie viel über uns geredet. Wir waren nicht wichtig, denn wir hatten uns.
Für diese Zeit hatten wir die Welt ausgeblendet. Die Stunden vergingen mit dir
wie Minuten und jedes Mal weinte ich, weil ich nicht wollte, dass es zu Ende
ging. Ich wollte mit dir wie die Enten auf dem Wasser schwimmen. Meine Zeit,
mein Leben bei dir sein.
Ich
habe vieles von dir angenommen. Wahrscheinlich ist das so, wenn man keinen
anderen Bezug mehr hat. Wie ein Dialekt, den man sich aneignet, habe ich
Weltanschauungen, Interessen, Lebenseinstellungen von dir übernommen. Damals
habe ich dich dafür geliebt. Ja natürlich. Das tue ich heute noch. Manche
Sachen legt man wohl nie ganz ab.
Du
siehst alt aus. Aber du bist immer noch derselbe. Immer noch wunderschön. Doch
du hast dich verändert. Wahrscheinlich bist du nicht nur kalendarisch gealtert,
sondern auch psychisch. Wir werden alle älter, selbstverständlich. Aber es
kommt mir an dir so falsch vor. Bei dir stand die Zeit still. Und wir hatten so
viel davon, wie wir nur wollten. Wir nahmen sie uns einfach. Es war alles ganz
einfach mit dir.
Oft
wache ich nachts auf und schreie, dann denke ich an dich. An die Zeit mit dir.
Das Leben könnte so viel einfacher sein, wenn man einfach auf Knopfdruck alle
Erinnerungen löschen könnte. Vielleicht wie in diesem Buch das du mir einmal
vorgelesen hast. Dann bräuchte ich jetzt
nicht mehr um die verstrichene Zeit trauern. Ja, es wäre alles ganz
einfach.
Mir
ist kalt. Ich wünschte, du würdest mich jetzt in den Arm nehmen. Du hast es nie
getan. Hast jede Möglichkeit verstreichen lassen. Aber insgeheim bin ich dir
dafür dankbar. Wahrscheinlich würde ich wahnsinnig werden, bei dieser Sehnsucht
danach. Und trotzdem wünsche ich es mir. Jetzt. In diesem Augenblick.
Vielleicht
könnte ich alles wieder gut machen. Einfach zu dir hinüber gehen und dich umarmen.
Dich küssen, wie der Elefant die Giraffe. Aber da ist zu viel gewesen. Ich
wünschte, ich könnte sagen, dass du derselbe bist wie damals. Ja, ich wünschte,
ich könnte das. Aber da ist zu viel gewesen. Zu viel passiert. Vielleicht kann
ich irgendwann vergessen. Vielleicht bin ich irgendwann so weit. Ich wünsche es
mir so sehr. Vielleicht bleibe ich in deiner Erinnerung. Vielleicht taucht irgendwann
ein Bild von uns beiden am See in deinen Gedanken auf und du erinnerst dich daran,
wie schön es gewesen ist. Als wir die Enten beobachtet und die Steine auf dem
Grund gezählt haben.
Wow. Ich weiß nicht so genau was ich sagen soll, der Text hat mich auf jeden Fall berührt.
AntwortenLöschenIch mag deinen Blog. :')
kannst du bitte mal ein buch schreiben, ein ganz langes mit vielen vielen seiten? ich glaub ich würde nichts anderes mehr lesen. ehrlich jetzt, ich hab selten so gute und authentische texte gelesen wie hier.
AntwortenLöschenDeine Texte sind toll :)
AntwortenLöschenIch schaue fast jeden Tag nach ob Neue da sind..