Die Sonne versinkt hinter den Dächern der Stadt und der Himmel färbt sich
lila. Der Ghettoblaster dröhnt Bässe und Drums durch die warme Luft und das
Klirren unserer Bierflaschen durchschneidet für einen Augenblick das
Zusammenspiel aus Ruhe und Musik.
Unsere Gartenstühle finden Halt auf den Kieselsteinen, die das Flachdach
des Altbaus bedecken und wir sitzen mittendrin. Mittendrin in der Großstadt.
»Wenn man hier runter springt, ist man bestimmt tot, oder?« fragst du.
»Aber hundertpro.« sage ich und halte mir zwei Finger an die Schläfe und
jage mir eine unsichtbare Kugel durch den Kopf. Ich lasse mich augenblicklich
wie ein Stein in den Stuhl fallen und bleibe regungslos liegen.
»Und warum sperren die das Dach dann nicht ab?« fragst du wieder.
Ich löse mich aus meiner Starre und richte mich auf. Du beobachtest mich,
aber ich schaue schnell wieder zu der untergehenden Sonne.
»Was weiß ich?« sage ich, nehme mir ein Bier und
schlage den Flaschenkopf ein paar Mal gegen die Armlehne des Stuhles, bis der
Kronkorken zwischen den Steinen landet.
»Vielleicht will man den Leuten die Freiheit lassen.« sage ich dann wie
nebenbei, während sich mein Blick fest auf den Horizont heftet.
»Welche Freiheit?« fragst du mit verunsicherter Stimme und die Musik
verstummt, nur um im nächsten Moment ein neues Lied über die Stadt zu schicken.
Ich stehe auf, gehe zum Rand des Daches und balanciere den kleinen
Vorsprung entlang. Du machst die Musik leiser, ich lasse meine Arme über meinem
Kopf schweben und wispere dann »Die Freiheit, selbst zu entscheiden.«
Ein bisschen schwanke und taumele ich, aber fange mein Gleichgewicht
wieder ein. Dann schließe ich meine Augen, stelle mich auf die Zehen und drehe
mich. Breite die Arme aus und drehe mich, bis es sich in meinem Kopf dreht. Ich
grinse, will dass du mein Grinsen siehst und die Ironie verstehst, aber die
Musik läuft weiter und nichts passiert. Und wieder halte ich mir zwei Finger an
die Schläfe und reiße abrupt meine Augen auf und will sehen, wie du mich
ansiehst im Schein der untergehenden Sonne, aber noch immer dreht sich alles
und die Farben verstecken sich hinter dem geheimnisvollen Schwarz, welches
meine Augen einfangen. Ich schwanke, aber diesmal sind da keine Balance und kein
Halt. Ich höre dich schreien und die Kieselsteine knirschen, aber ich schieße
mir eine unsichtbare Kugel durch den grinsenden Kopf und falle wie ein Stein.
Den Vorsprung hinunter.
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